Ein Garten für die Zukunft?

Wie legt man heute einen Garten für morgen an? Das habe ich mich beim Anlegen unseres Hausgartens gefragt und möchte meine Antworten darauf und Erfahrungen dabei im nachfolgenden kurz vorstellen.

Übrigens, was mich besonders freut: unser Garten wurde im Rahmen des Naturgarten-Wettbewerbs der Stadt Radolfzell 2024 ausgezeichnet!

Die Gartengestaltung war für mich Neuland. Meine Vorstellung war, dass der Garten in Gestalt und Funktion mit dem Gebäude harmonieren muss und dass viele unterschiedliche Gehölze und Stauden – am besten heimisch und trockenheitsverträglich – darin Platz finden sollten.

Sommer 2023 – 1 1/2 Jahre nach dem Anlegen des Gartens. Durch die bereits größeren Gehölze gibt es nun schon Schatten, Sichtschutz, Obst und Atmosphäre.

Meine Ziele bei der Gartengestaltung waren also: harmonisches Gesamtbild, Sichtschutz, Schaffung eines ausgleichenden Mikroklimas und Förderung der Artenvielfalt.

Der Garten soll allen Interessierten Ideen vermitteln, wie und welche Bäume auch im kleinen Garten untergebracht werden können und welche Schnitt-Techniken dabei zum Einsatz kommen können (Thema Formschnitt-Elemente auch im Naturgarten?!). Denn mit Bäumen lassen sich viele interessante und attraktive Lösungen schaffen, wenn es um Sichtschutz und Schatten geht.

Da sich einerseits das städtebauliche Konzept für die Einfamilienhausbebauung in den letzten beiden Jahrzehnten stark verändert hat und sich andererseits auch der Klimawandel immer deutlicher bemerkbar macht, stellen sich heutzutage bei der Gartenanlage folgende Herausforderungen:

  • Die Grundstücke für eine Einzelhausbebauung werden immer kleiner, da Grundstückspreise steigen und das Platzangebot immer knapper wird.
  • Der Klimawandel wird sehr wahrscheinlich immer heißere und trockenere Sommer zur Folge haben
  • In unserer Kulturlandschaft finden Vögel, Säugetiere und Insekten immer weniger Lebensraum. Die Gärten sollen hier Kompensation bieten.

Für die Gartenanlage bedeutete dies für mich in der Konsequenz:

  • Sichtschutzelemente sind wichtig, um Privatsphäre zu schaffen (kleines Grundstück).
  • Der Boden muss viel Wasser speichern können, um Starkregenereignisse aufnehmen zu können und andererseits Pflanzen über eine lange Trockenperiode hinweg versorgen zu können.
  • Eine Zisterne ist ein Muss, denn die Niederschlagsmuster ändern sich. Lange Trockenphasen werden sich wahrscheinlich häufen. Es ist damit zu rechnen, dass Pflanzen in niederschlagsarmen Sommern nicht mehr mit Leitungswasser gegossen werden dürfen. Sie sparen nach der Installation Geld fürs Wasser und Abwasser und helfen, die Kanalisation bei Starkregenfällen zu entlasten usw…
  • Natürliche Beschattung und Kühlung durch Bäume wird zukünftig essentiell sein, um hohe Tagestemperaturen im Sommer halbwegs erträglich zu machen.
  • Eine Bepflanzung mit Fauna-freundlichen Stauden und Gehölzen soll die Artenvielfalt fördern.
  • Am Ende soll der Garten nicht zu viel Arbeit machen, Obst und Gemüse produzieren, so viele unterschiedliche Tierchen wie möglich beherbergen, das Grundstück beschatten, zum Entdecken einladen, den Kindern das Spielen ermöglichen, und und und.
  • Ach ja: und er soll bezahlbar bleiben. (Anmerkung: am Ende habe ich viele Hundert Stunden Eigenleistung erbracht. Die Mauern und die Erdarbeiten mussten aber natürlich maschinenunterstützt gemacht werden.)

Was dabei herauskam, können Sie gerne selber beurteilen. Kommen Sie vorbei und sprechen Sie mich gerne an!

Mit der ersten Entwurfsplanung für das Haus, die der Architekt geliefert hatte, bekam der zu planende Garten die ersten Konturen. Wir haben uns für ein Dreier-Reihenhaus zusammen mit einer weiteren Familie und meinen Eltern in einem Baugruppen-Projekt entschieden. Zusammen mit meinen Eltern hatten wir also die Gartenfläche von etwa 240 Quadratmetern. Es sollten zwei Gartenhäuser darauf Platz finden und am liebsten eine große, gemeinsame Holzterrasse geben. Die reinen Beetflächen waren am Schluss etwa 180 Quadratmeter.

Der ersten Entwürfe des Architekten sahen Lichtschächte auf der Südseite der Kellerfenster vor und ein eher aufgefülltes Bestandsniveau.

09 / 2021: die beiden Zisternen mit 18 000 Liter Fassungsvolumen wurden geliefert. Sie versorgen zukünftig zwei Gärten mit genügend weichem und pflanzenfreundlichen Regenwasser.

Mir wurde schnell klar, dass Lichtschächte für mich hier nicht in Frage kommen würden. Am Ende wurde das gesamte Gartenniveau abgesengt. Da das Grundstück nach Süden hin leicht abfällt, hatte dies mehrere Vorteile: Der Blick in den Garten war nun auch aus den Kellerfenstern möglich und die Gartenfläche schloss – ohne Niveau-Unterschiede zu überbrücken – an die Carport-Anlage an. Ich musste mich auch nicht mit der Entwässerung von Lichtschächten bei Starkregenfällen beschäftigen und würde in Zukunft bei Unwettern ruhiger schlafen können.

11/ 2021: Das Bestandsniveau auf Straßenhöhe wurde abgetragen: rund 185 Tonnen Lehm mussten abgebaggert werden. 80 Qubikmeter wasserspeicherfähiges Baumsubstrat wurden eingebaut. Lehm kann etwa 15 Volumenprozent Wasser speichern, Baumsubstrat schafft ca. 25%. Ein wertvolles Plus an pflanzenverfügbarem Wasser und ein gut durchwurzelbarer Boden schaffen die Grundlage für gutes Pflanzenwachstum. Die Natursteinmauern aus heimischem Kalkstein sind schön anzuschauen und bieten später vielfältigen Lebensraum.
12 / 2021: ein Teil des neuen Bodens ist als Unterbau und Speicher verteilt. Nun kommt noch der zuvor abgetragene Oberboden wieder drauf.
04 / 2022: Die meisten Bäume haben ihren Platz gefunden. Die Baumquartiere haben nun zwischen 60 und 80cm Platz nach unten zum Wurzeln und finden im Baumsubstrat, das wie ein Schwamm wirkt, genügen Wasser – auch in längeren Trockenperioden. Die Fundamente für die Gartenhäuser wurden als Streifenfundamente angelegt und mit Gartenboden wieder aufgefüllt, um wertvollen Wurzelraum nicht zu verlieren. Unter der Steinmauer bei der Hochstammhecke wurden Wurzelleitrohre in den Gartenraum verlegt.
04 / 2022: zum Gießen in längeren Trockenphasen und in der Anwachsphase wurde ein Bewässerungssystem verlegt, das aus der großen Zisterne gespeist wird. Der Schlangenhaut-Ahorn im Vordergrund fiel krankheitsbedingt leider aus und musste ersetzt werden (durch drei Amberbäume aus dem städt. Projekt 1 Bürger 1 Baum).
04 / 2022: Spalier-Birnen (Pyrus communis ‚Williams Christ‘) sollen die trockene Ost-Fassade bewachsen. Später werden die Bäume ein Blütenmeer im April erzeugen und eine Birnenschwemme im September. An Birnen sind als heimische Baumart etwa 280 Insektenarten gebunden.
06 / 2022: die Rasensaat hat ausgetrieben und die Beete sind bepflanzt. Der erste Salat kann geerntet werden.
In der Mitte des Gartens soll ein schattiger Sommer-Sitzplatz entstehen. Die drei Krim-Linden (Tilia x euchlora) sind trocken- und hitzeresistent und gute Insektennährpflanzen. Sie erzeugen einen dichten Schatten und sind wenig Blattlaus-anfällig – „tropfen“ also nicht. Als mittelgroße Baumart können sie etwa 15 Meter hoch werden. Sie sollen aber in ein paar Jahren nach allen Seiten hin durch einen Kronen-Begrenzungsschnitt kompakt gehalten werden, nachdem sie auch im ersten Stock auf dem Balkon Sichtschutz bieten.
11 / 2022: Ein Jahr nach dem Startschuss für den Garten sind die meisten größeren Projekte abgehakt. Es fehlen noch die Holzterrasse am Badefass, die Spalier-Obstwand als Sichtschutz muss noch fertiggestellt werden, Die Dächer der Gartenhäuser begrünt und das Carportprojekt gestartet werden.
12 / 2022: der erste Schnee verzaubert die Bäume und den Garten. Über den Winter bieten laubabwerfende Gehölze natürlich weniger Sichtschutz – aber zu der Jahreszeit hält man sich auch weniger im Freien auf.
04 / 2023: das Frühjahr bringt die Farben zurück in den Garten. Die Heckenelemente bestehen aus Zwerg-Blutpflaume (Prunus x cistena) mit schwarzlaubigem Holunder (Sambucus nigra ‚black lace‘) zwischen den Sichtschutz-Elementen. Über der Hecke wachsen drei Baum-Felsenbirnen (Amelanchier arborea ‚Robin Hill‘) und bieten Sichtschutz in „zweiter Reihe“. Die Baumart bleibt kompakt und blüht herrlich im April – genauso wie die Zwerg-Blutpflaumen. Zusammen mit dem Schwarzlaubigen Holunden bringen sie einen schönen Farbkontrast in den Garten und bieten Insekten und Vögeln eine Nahrungsquelle.
04 / 2023: Das Carport für die Baugruppe wurde gestellt und bietet nun auch von Süden her Sichtschutz in den Garten. Das Dach muss noch begrünt und die Fassade verkleidet werden. An der Holzterrasse wachsen zwei heimische Kiefern-Arten, welche später im Japanischen Wolkenschnitt gezogen werden sollen. Drei Amberbäume sind das Beschattungs-Projekt für die Holzterrasse. Die Stämme sollen nach und nach auf etwa 3,5 Meter aufgeastet werden, so dass durch die EG-Fenster nur die Stämme zu sehen sein werden. Darüber sollen die eher kleiner wachsenden Amber der Sorte ‚Worblesdon‘ ihren lichten Schirm spannen. Amber tragen als Nährpflanze für Insekten wenig bei, sind aber sehr gut trockenheits- und hitzeresistent.
05 / 2024: Die Hochstamm-Hecke aus neun Feldahornen (Acer campestre ‚Elsrijk‘) kommt mit dem trocken-heißen Standort gut zurecht und wächst prächtig. Zudem ist die Baumart heimisch und bietet ca. 230 Insektenarten Nahrung. Es dient als Sichtschutz- und Gestaltungselement und verschönert nicht zuletzt auch den Blick aus dem Garten heraus.
05 / 2024: Das Gerüst aus Robinienhölzern und Drahtseilen für die Spalierobstwand ist endlich fertig. Es wird zukünftig viel Obst bringen und Sichtschutz bieten. Bis in 2 Meter Höhe wachsen sechs verschiedene Apfelsorten (früh, mittelspäte und späte Sorten), bis in 4 Meter höhe wachen dann als Hochstämme zwei Quitten, zwei Kirschen und zwei Pfirsiche. Die Lücke zur Terrasse hin werden Trauben beranken.
07 / 2024: Ein Teich fand bisher keinen Platz, aber sogar eine kleine Zinkwanne kann als Wasserelement dienen.
05 / 2024: Die Rosenkäfer besuchen die Eberesche (Sorbus x dodong).
07 / 2024: Die Borstige Dolchwespe (Scolia hirta) ist eine Klimawandel-Gewinnerin und parasitiert die Larven des Rosenkäfers. Sie ist in Deutschland sehr selten und steht auf der Roten Liste. Totholz im Garten lockt die Rosenkäfer an und damit auch die seltene Wespenart.
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Eine ebenfalls gefährdete Art, welche von den steigenden Temperaturen profitiert und auf dem Vormarsch ist, ist die Blaue Holzbiene. Sie ist die größte heimische Wildbiene und ein stetiger Gartenbesucher. Sie benötigt zur Fortpflanzung besonntes Totholz.

Mein Fazit bis hierher:

Die Pflanzen wachsen wie verrückt und mit ihnen kommen die Tiere in den Garten. Unsere Hausgärten haben das Potential, dem Klimawandel und dem Artenschwund entgegenzuwirken.

Tatsächlich denke ich, dass es mit Aufforstungen außerhalb und mit möglichst viel Grün (Stichwort: 3-30-300-Regel) innerhalb unserer Städte gelingen könnte, unsere Ökosysteme zu regenerieren und unsere Städte als lebenswerte Orte zu erhalten. Das habe ich bisher bei meinem Gartenprojekt gelernt.

Weitere Bilder folgen.