Was ist ein alter Baum?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.

Zuerst gibt es Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen den verschiedenen Baumarten. Kurzlebigere Baumarten wie z.B. Sand-Birke, Zitter-Pappel oder Sal-Weide gehören zu den Pioniergehölzen und haben eine ungefähre Lebenspanne von 100 Jahren. Sie sind damit relativ kurzlebig. Zu den Bäumen, die etwa 300-jährig werden können, zählen unter anderem die Rotbuche und die Esche. Sehr langlebige, heimische Baumarten sind z.B. die Stieleiche und die Sommerlinde, aber auch die Eibe. Sie können bis zu 1000 Jahre alt werden und älter.

Bäume durchlaufen in ihrer Lebensspanne verschiedene Entwicklungsphasen. In ihrer Jugendphase steht das Höhenwachstum und die Anpassung an den jeweiligen Standort im Vordergrund (die ersten 20-25 Jahre). In der Reifephase hat sich ein Baum an seinem Standort etabliert. Das Höhenwachstum ist noch nicht abgeschlossen und die Krone breitet sich aus (hier wird es kompliziert: je nach Baumart kann die Reifephase bis zum 50. oder bis zum 250. Lebensjahr dauern). In der Alterungsphase stellt sich der Hormonhaushalt des Baums um. Fäulnisprozesse im Stamm und im Wurzelbereich nehmen zu. Die Krone wird in den Spitzenpartien nicht mehr versorgt und stirbt dort ab. Bei langlebigen Baumarten bildet sich eine tiefer gelegene und kleinere Alterskrone. Das Dickenwachstum des Stamms steht nun im Vordergrund (de Berker et al. 2016). Mit einer kompakteren Krone und einem dicken Stamm hat der Baum nun auch enorm an Sicherheit gewonnen (Wessolly & Erb 2014).

Damit ist eine 90-jährige Birke ein alter Baum, eine 250-jährige Stieleiche dagegen ist gerade einmal ausgewachsen und noch lange nicht wirklich „alt“. Nachfolgend ein paar Beispiele mit Bildern langlebiger Bauarten, um Baumalter und Lebensphase zu verdeutlichen:

Das Bild zeigt eine ca. 150-jährige Blutbuche (Fagus sylvatica f. purpurea). Sie befindet sich in der ersten Alterungsphase. Der langsame Zerfallsprozess hat begonnen und kann noch sehr lange dauern. Durch den Alterungsprozess bilden sich kleinteilige Strukturen, die mit der Zeit von immer mehr, zum Teil seltenen Arten besiedelt werden. Der Stamm ist bereits hohl und es zeigen sich Fruchtkörper des Lackporlings. Der Stamm ist mächtig und die Wurzelanläufe zu einer Wurzelplatte verwachsen. Dass der Stamm hohl ist, stellt für die Statik weniger ein Problem dar. Die Sicherheit der unteren Baumteile ist sehr hoch. Die Schwachstelle ist der Kronenansatz. Einzelne Stämmlinge können aus dem hohlen Stamm ausbrechen.

Die hier abgebildete Eiche ist ca. 200-250-jährig und hat einen Stammdurchmesser von ca. zwei Metern. Die mächtige Eiche zeigt von außen noch keine Anzeichen des Verfalls. Sie tritt gerade in die Alterungsphase ein, die noch mehrere Hundert Jahre dauern kann.

Diese etwa 400-jährige Eiche ist in ihrem Alterungsprozess bereits fortgeschritten. Ihr Stamm und die davon abzweigenden Stämmlinge sind komplett ausgehöhlt – teils auch durch baumchirurgische Arbeiten, die vor mehreren Jahrzehnten Stand der Technik zum Erhalt von Bäumen waren. Ihre Krone ist bereits um mindestens ein Drittel verkleinert – vermutlich durch Astausbrüche und darauf gefolgten Rückschnittsmaßnahmen. Dennoch ist der Baum noch äußerst vital und lange nicht am Ende seiner Lebensspanne angelangt. Vielmehr steht er im Beginn, zu einem „hölzernen Lebensraum“ (Fay 2015) zu werden.

Gerne würde ich an dieser Stelle nun ein Bild eines wirklich alten Baumes zeigen, welcher sich in eine Arche für viele, auch seltene, Tierarten (und Pflanzenarten) verwandelt hat. Leider habe ich selber noch keinen solchen Baum sehen dürfen – sie gibt es bei uns so gut wie nicht mehr.

Hier noch einige Bilder von den ältesten Bäumen, die ich bisher gesehen habe.

Literatur:

de Berker, N., de Goot, J.-W., Dujesiefken, D., & Fay, N. (2016). Trees – a Lifespan Approach. Contributions to arboriculture from European practitioners. Wrocław: Fundacja EkoRozwoju.

Fey, N. (2015). Der richtige Umgang mit uralten Bäumen: Archebäume und Baumveteranen. Jahrbuch der Baumpflege (S. 181-197). Braunschweig: Heymarket Media.

Wessolly, L., & Erb, M. (2014). Handbuch der Baumstatik und Baumkontrolle. Berlin – Hannover: Patzer Verlag.